Der Maler Tai Peh saß in seinem Garten und bewunderte verzückt seinen in voller Blütenpracht stehenden Kirschbaum.
Schnell ging er in sein Atellier, holte die Aquarellfarben und einen Bogen seines besten Aqarellpapiers, um die Blütenpracht auf Papier zu bannen.
Als er sein Werk vollbracht hatte, bemächtigte sich seiner eine große Unzufriedenheit.
Überall sah er Unzulänglichkeiten: die Farben gaben nicht die Leuchtkraft der Blüten wieder, auf denen sich das Sonnenlicht brach, die Bewegung der Äste war nicht gut getroffen und überhaupt, das Papier konnte nicht die lebendige Wirklichkeit wiedergeben.
Tai Peh versuchte es noch einmal und noch einmal, doch immer reichte das Abbild nicht an die leuchtende Schönheit des Originals heran.
Entäuscht gab er auf, räumte die Farben wieder in den Schrank und legte die Blätter in die dafür vorgesehene Schublade.
Das Jahr ging ins Land und der Herbst kam.
Der Kirschbaum stand kahl und trist seiner Blätter beraubt im Regen, graue Zweige vor grauem Himmel.
Tai Peh nutzte die Zeit um Ordnung zu schaffen. So fielen ihm die im Frühling gemalten Bilder des blühenden Kirschbaumes in die Hand.
Voller Verzückung starrte er auf die wunderschönen Bilder und die lebendige Blütenpracht stand wieder vor seinem inneren Auge.
Das waren Meisterwerke, die er da geschaffen hatte.
Wieso war er damals nur so unzufrieden gewesen?
Verklärte nun das zurück blickende Auge die Vergangenheit?
Oder war es gerade andersherum?
Konnte er die Schönheit und Vollkommenheit des gegenwärtigen Augenblickes nicht wahrnehmen, weil er ihn immer durch die Brille von Erwartungen oder Bewertungen sah, die ihn wie ein Schleier umhüllten und seine Wahrnehmung trübten?
Und war es vielleicht gerade der Blick zurück, der ihm die wahre Schönheit des Sein zeigte, die er Dank seiner ständigen Unzufriedenheit in der Gegenwart nicht sehen konnte?
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