An einem stürmischen Abend klopft ein Kurier des Königs an das Burgtor eines hugonottischen Edelmannes und bittet um ein Nachtquartier.
So beginnt das Gedicht “Die Füße im Feuer“, geschrieben von dem Schweizer Dichter C. F.Meyer.
In der Folge erkennt der Gast, dass er sich genau in der Burg befindet, in der er vor drei Jahren die Hausherrin zu Tode gequält hatte, weil sie den Aufenthaltsort ihres Mannes nicht verraten wollte.
Er folterte sie, indem er ihre Füße im Kaminfeuer verbrennen ließ.
Der Edelmann zutieft erschüttert weist dem Kurier ein Nachtlager an. Beide verbringen
eine qualvolle Nacht. Der Gast muss ständig mit der Rache des Edelmannes rechnen und
um sein Leben bangen und jener ringt damit, den Kurier zu erdolchen oder nicht.
Am nächsten Morgen entlässt ihn der Burgherr, dessen braunes Haar über Nacht schlohweiss
geworden ist, mit den Worten “Mein ist die Rache, sagt Gott“.
Das Gedicht zeigt uns sehr eindrucksvoll, wie schwer es ist im Extremfall auf Vergeltung
zu verzichten. In unserer Welt gilt es als normal, auf Beleidigung, Angriff, Ungerechtigkeit
oder sogar Mord auf gleiche Weise zu reagieren. Nur unsere Gesetze verhindern das
Äußerste und manchmal auch nicht. Die Kette von Gewalt und Gegengewalt scheint nicht
abzureißen. “Auge um Auge, Zahn um Zahn“, so denken und handeln wir oft. So sagt der
deutsche Philosoph Ernst Bloch (1885-1977), dass die Menschheit ihrer alttestamentarischen Phase noch nicht entwachsen ist. Und das alles, obwohl wir uns in der christlich geprägten Welt schon 2000 Jahre um das Handeln nach den Worten von Jesus, “Liebet eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen“, bemühen sollten.
Und doch scheint sich im 21. Jahrhundert eine Umkehr anzubahnen.
So gibt es im zunehmenden Maße spirituelle und psychotherapeutische Gruppen, die Menschen über Meditation und Selbstbesinnung ihre eigenen aggressiven Gefühls-, Denk- und Handlungsmuster bewusst machen und überwinden helfen. “Radikale Vergebung“ empfiehlt z.B. der englische Psychotherapeut Colin Tipping und auch in unseren Kirchen nehmen die
Angebote an Meditations- und Stillestunden zu. Auch werden heute Kinder geboren, die eine
reinere Seele haben und viel Licht und Liebe auf die Erde bringen. So meint der Schweizer
Philosoph Armin Risi (geb.1962), dass es zu einem Paradigmawechsel auf der Erde kommen
kann. Gerade in einer Zeit, in der die Dunkelheit am dichtesten ist, kann das Licht aufflammen
und alles kann gut und schön werden.
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